Handlungsbedarf beim Klimawandel wird bleiben, auch wenn die Pandemie vorbei ist
15. März 2021
Foto: DKT
Die Folgen des Klimawandels werden weit über die Folgen der Pandemie hinaus von Bedeutung sein. Zu diesem Ergebnis kommen die Teilnehmenden der heute beginnenden Deutschen Klimatagung (DKT). Auf der Fachtagung, die alle drei Jahre stattfindet, zeigen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler außerdem auf, welche hohe Bedeutung in den Themenfeldern Anpassung an den Klimawandel, Minderung der Auswirkungen des Klimawandels und der notwendigen Transformation der Wirtschaft liegen.
Hamburg, 15. März 2021 – Bis Donnerstag beraten rund 250 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler auf der 12. Deutschen Klimatagung u. a. über aktuelle Fragen zur globalen Erwärmung, Mitigation und vielen weiteren interdisziplinären Themen mit Bezug zu Meteorologie und Klimatologie. Immer stärker rückt dabei die Bedeutung zukünftiger Anpassungsstrategien in allen Bereichen und Regionen in den Vordergrund der wissenschaftlichen Arbeit. Im Rahmen der Tagung werden auch Fragen über den Zusammenhang zwischen Klimawandel und der aktuellen Pandemie diskutiert.
Nach der Pandemie ist der Klimawandel immer noch da
„Wir haben das Klimasystem physikalisch weitgehend verstanden. So können wir die Auswirkungen unseres Handelns abschätzen, sehen daher dringenden Forschungs- und Handlungsbedarf im Bereich Mitigation und Anpassung“, so Prof. Dr. Clemens Simmer, Vorsitzender der Deutschen Meteorologischen Gesellschaft (DMG)anlässlich der Eröffnung der Fachtagung. Seiner Einschätzung nach „wird der Klimawandel durch die aktuelle Pandemie nicht mehr als das dringlichste Problem wahrgenommen.“ Das sei gefährlich; denn je länger die Menschheit mit Klimaschutzmaßnahmen wartet, umso mehr wird sie zur sicher schmerzlichen Anpassung gezwungen. Simmer: „Man mag das derzeit anders empfinden, aber der Klimawandel wird die Menschheit erheblich stärker fordern als die Pandemie.“ Dies benötige insbesondere eine ausreichend informierte Gesellschaft, zu der die Deutsche Klimatagung, die traditionell auch immer über den Tellerrand der Klimaphysik blickt, beitragen wird. „Wie die Pandemie uns lehrt, gewinnt dabei die Kommunikation, die auch Thema der Tagung ist, eine zunehmende Bedeutung“, sagt Simmer.
Klimaforschung bedeutet mehr als nur das physikalische Verständnis des Klimawandels
Prof. Dr. Martin Claußen, Professor für Meteorologie und Direktor am Max-Planck-Institut für Meteorologie, weist auf Parallelen zwischen Pandemieforschung und Klimaforschung hin. „Klimaforschung beschränkt sich nicht nur auf die Erforschung der Ursachen und der Dynamik des Klimawandels, sondern umfasst auch die Erforschung von Maßnahmen zur Vermeidung eines für den Menschen gefährlichen Klimawandels und Anpassung an ein sich bereits änderndes Klima. Wichtig ist ebenfalls das Verständnis der sozialen, ökonomischen und politischen Dimensionen sowie der Kommunikation des Klimawandels und der Klimapolitik.“ Die 12. DKT spiegelt das breite Spektrum der aktuellen Klimaforschung wider. Sie steht damit in der Tradition der interdisziplinären Klimaforschung in Hamburg. Bereits bei der 5. DKT, die im Jahr 2000 in Hamburg stattfand, wurden sozialwissenschaftliche Aspekte des Klimawandels betrachtet. „Ein Highlight der interdisziplinären Klimaforschung der 12. DKT bietet der öffentlichen Abendvortrag, in dem Dr. Franz Mauelshagen sich mit der Problematik von Klimaforschung und Kolonialismus auseinandersetzt.“
Kommunen spielen eine zentrale Rolle bei der Anpassung an den Klimawandel
In diesem Zusammenhang gewinnt ein weiteres Themenfeld zunehmend an Bedeutung: Die Regionalität. Prof. Dr. Daniela Jacob, Direktorin des Climate Service Center Germany (GERICS): „Was wir sehen ist, dass die verschiedenen Regionen Deutschlands ganz unterschiedlich von den Folgen des globalen Klimawandels betroffen sind. Daher sind jeweils ganz spezifische lokale und regionale Anpassungsmaßnahmen notwendig. Die Projektionen zeigen, dass viele Regionen in Deutschland viel stärker vom Klimawandel betroffen sein werden, als noch vor Jahren vermutet. So muss beispielsweise auch künftig eine funktionierende Verkehrsinfrastruktur, Trinkwasserversorgung und Abwasserentsorgung in Kommunen, Gemeinden und Städten gewährleistet sein. Es ist wichtig und eilig, Klimaschutz und Anpassung an die Auswirkungen des Klimawandels mit großem Engagement anzugehen."
Transformation der Wirtschaft wird Wohlstand erhalten
Vor diesem Hintergrund verweist der Inhaber des Lehrstuhls für Nachhaltigkeit und globalen Wandel an der Universität Hamburg, Prof. Dr. Hermann Held, ebenfalls auf die Vorteile zügigen Handelns: „Unser neuer klimaökonomischer Zugang versöhnt erstmalig Klimaziele mit der selbstverständlichen Erwartung, in Zukunft mehr über die Empfindlichkeit des Klimasystems gegenüber unseren Kohlendioxidemissionen zu wissen. Im Wesentlichen können wir damit die Empfehlungen des fünften Sachstandsberichts des Weltklimarates IPCC bestätigen, wie Klimaziele kostenminimal zu erreichen sind. Dazu müssten deutlich größere Investitionen in Klimaschutztechnologien fließen, als dies derzeit der Fall ist. Aber auch die Klimaforschung selbst stellt nach dem neuen Verfahren einen signifikanten wirtschaftlichen Faktor dar und sollte demnach stärker gefördert werden. Wüssten wir die Empfindlichkeit unseres Klimasystems zügiger, könnten wir unsere Investitionen gezielter und kostenschonender planen.“ Held weist vor diesem Hintergrund darauf hin, dass Szenarien von einem klima(politik)getriebenen Untergang des Wohlstandes „ziemlich sicher nicht eintreffen werden, wenn wir die schon vorhandenen Instrumente wirklich konsequent nutzen.“
Sichtbare Wirkung der Pandemie auf die Atmosphäre
Anders als anzunehmen wäre, hat die Pandemie nicht zwingend einen positiven Effekt auf die Temperaturen in bodennahen Luftschichten: Prof. Dr. Hans von Storch zeigt auf, dass der Rückgang des Verkehrs und die geringere Energienutzung im Zuge des regionalen Lockdowns in China in den ersten Monaten des Jahres 2020 nicht nur für eine deutliche Verbesserung der Luftqualität gesorgt hat, sondern auch Einfluss auf die Temperaturen hatte. Von Storch: „Durch die abrupte und regional beschränkte Maßnahme ist die aktuelle Situation gut geeignet, um den Effekt der Reduktion von Aerosolpartikeln (Feinstaub) in der Luft zu studieren. Dadurch, dass weniger Aerosolpartikel in der Luft waren, erreichte mehr Sonnenlicht den Erdboden, und es kam zu einer zeitweisen Erwärmung von 0.5 bis 1 Grad in Ballungszentren. Die Wirkung zeigt einen deutlichen Tagesgang mit starken Erwärmungen am Tage und geringen in der Nacht.“
Das Thema des menschgemachten Klimawandels hat die Welt der Differentialgleichungen und der Klimaphysik längst verlassen und ist ein gesamtgesellschaftliches Anliegen geworden, welches dingend Beiträge aus Technik- und Sozialwissenschaften benötigt. Inwieweit technologische Innovationen erforderlich und zielführend sind, wird im Programmpunkt „Mitigation (Minderung) und Innovation“ u. a. von Prof. Dr. H.-J. Wagner, Vorsitzender des Wissenschaftlichen Beirats des Programms "Roadmap Energieeffizienz 2050" der Bundesregierung, erörtert. Bis zum 18. März 2021 dauert die Tagung, die in diesem Jahr gemeinschaftlich von der Deutschen Meteorologischen Gesellschaft (DMG) und dem KlimaCampus Hamburg veranstaltet wird.
Kontakt
Deutsche Meteorologische Gesellschaft e.V.
Frank Böttcher, Medienbeauftragter
E-Mail: presse@dmg-ev.de
c/o Institut für Meteorologie C.-H.-Becker-Weg 6-10 12165 Berlin
KlimaCampus Hamburg
Ute Kreis, Öffentlichkeitsarbeit
E-Mail: ute.kreis@uni-hamburg.de
Tel.: +49 (0) 40 42838 4523